Eine Untat bleibt ein Verbrechen, ob im Dienste des Vaterlandes oder irgendeiner anderen Firma.


Ödön von Horváths „Ein Kind unserer Zeit“ entstand 1937/38 vor dem Hintergrund einer halblegalen Unterstützung der Truppen Francos im spanischen Bürgerkrieg durch „Freiwilligenverbände“ des nationalsozialistischen Deutschlands. Der Roman nimmt die aggressive, dabei im Halbdunklen operierende Politik auf und liest sich gleichzeitig wie eine Prophezeiung der noch kommenden kriegerischen Überfälle Deutschlands ab 1939. Von den Nazis wurde er kurz nach Erscheinen verboten.

Der Text ist letztlich der innere Monolog eines jungen Soldaten, eines Kriegskindes des vorhergegangenen I. Weltkrieges. Er arbeitet sich gedanklich ab an der Zeit, den Umständen, an seinem Soldatendasein, das er zunächst als Rettung aus der Arbeits- und gefühlten Nutzlosigkeit empfindet. Seine Äußerungen führen drastisch vor Augen, wie Propaganda das Denken beeinflussen und verändern kann, welch brutale Eigendynamik jeder Krieg nimmt und wie Grausamkeiten mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten – oder Fake News – gerechtfertigt werden: Themen, aktueller denn je.

Doch die Wahrnehmung verändert sich, als der Soldat nach einer Verwundung beginnt, die Worthülsen der Propaganda zu hinterfragen und den unbedingten Glauben an „unsere Führer“ zu verlieren. Dazu bringt ihn auch das Nachdenken über seine Mitmenschen, über seinen Vater, eine „ferne Geliebte“ oder seinen Hauptmann. Auch die Einführung dieser stark typisierten Charaktere, mit denen sich der Soldat in Dialog und Monolog auseinandersetzt, prädestiniert diesen Anti-Kriegs-Roman geradezu für eine Bühnenfassung, die eigens von Dorothea Kirschbaum für die Studiobühne erstellt wird.

Regie: Dorothea Kirschbaum
Bühne/Kostüme: Jens Hübner
Lichtgestaltung/Ton: Ronald Kropf
Maske: Andrea Ferri
Abendtechnik: Rainer Benedict

 Es spielen: Lisa Friedrich, Klaus Meile, Franz Rupprecht, Pierre Soldatenko


Rezension von Michael Thumser im Hochfranken-Feuilleton (1. April 2023):